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Saisonabschlußbericht

Eine Turbulente Seglersaison

Hallo liebe Seglerfreunde, dieses Jahr war in jeder Hinsicht etwas Besonderes und brachte viel Unruhe, die so intensiv war, dass in diesem Jahr der Segler-Blog von mir nicht bedient werden konnte. Insofern gibt es diesmal mit viel Verzögerung einen Saisonrückblick mit vielen Bildern.

 

Beginnen wir mit der Ankunft der Segler, noch nie sind die Hälfte meiner Segler innerhalb von 30 Stunden am 5. und 6. Mai angekommen, das war eine kleine Sensation. Zur Info, 2020 habe ich erstmals alle Nistplätze mit neuen IR-HD-Live-Cams überwacht. Somit wurde minutiös jede Bewegung in den Nistboxen aufgezeichnet, und ich bekam erstmalig wertvolle Daten aus dem Leben meiner Segler und Erkenntnisse, die mir in den letzten Jahren weitestgehend verborgen blieben.

 

Zogen sich seit 2011 die Ankunftszeiten bis zu 4 Wochen hin, begannen dieses Jahr die Screaming Partys bereits ab dem 6. Mai. Es war sofort richtig was los ums Haus. Die restlichen Segler verteilten ihre Ankunft vom 8.bis zum 26.Mai. Das hinzugekommene Erstbrüter-Pärchen bezog dann am 2. & 7.6. ihre neue Nistbox, nachdem sie sich 1 Woche nicht entscheiden konnten, ob sie nun auf der Ostseite oder Nordseite des Hauses brüten wollten. Sie hatten sich dann für die Nordseite entschieden und haben ihren ersten Nachwuchs neben dem zweitjüngsten Seglerpaar erfolgreich großgezogen.

 

Nun ist meine kleine Segler-Kolonie auf 7 Brutpaare angewachsen und sie stellt somit circa ein Drittel des Seglerbestandes von Kisdorf.

 

Die sieben Paare haben gesamt 17 Eier gelegt, davon war ein Ei taub. 16 wurden ausgebrütet darunter drei 3-er und vier 2-er Gelege. Diese 16 Jungsegler sind erfolgreich geschlüpft und konnten auch alle gen Süden zu ihrem ersten 2-jährigen Dauerflug starten, wenn auch zwei von ihnen diesen fast nicht erlebt hätten, wenn ich nicht eingegriffen hätte.

 

Betroffen davon waren die zwei verbliebenen Dreier-Gelege, das 3. Dreier hatte ja ein taubes Ei!

 

Vorweggenommen möchte ich bemerken, dass ich eine Grundsatz-Einstellung zum „Lauf der Natur“ habe und ich in diesen Lauf, wenn es denn in der Natur passiert, nie eingreifen werde.

 

Das ich bei meinen Mauerseglern in diesen eingegriffen habe, möchte ich damit begründen, dass es eben nicht der Lauf der Natur, sondern Menschen-gemacht ist. Diese zwei Lebewesen wären aufgrund mangelnder Insekten- und Klimalage im Nest verhungert. Im gleichen Zeitraum sind deutschlandweit tausende von Seglerküken samt ihren Nistplätzen durch Baumaßnahmen in ihrem Brut relevanten Dachbereich bei Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen vernichtet worden. Nicht selten verschwinden diese über die Bauschuttrutschen in Containern. Und das hat nichts mit dem „Lauf der Natur zu tun“ sondern ist purer Kapitalismus und mangelnde Achtsamkeit gegenüber der Natur, zum Vorteil weniger. Hier sehe ich meine Verantwortung zum Handeln, Aufmerksamkeit zu erzeugen sowie Multiplikatoren zu generieren.

 

Doch nun zurück zur diesjährigen Seglersaison, es verdichtet sich mehr und mehr die Annahme, dass 3-er Gelege mangels Nahrung nicht mehr durchkommen.

 

·       IIn meiner Kolonie sind 2019 zwei nicht durchgekommen und 2020 wären zwei Dreiergelege nicht durchgekommen, wenn ich nicht eingegriffen hätte.

 

·       Von 2019-2020 gab es 13 Bruten, davon sechs 3-er Gelege, dabei 1 taubes Ei.

 

·       Bei den sechs wären ohne mein Eingreifen nur jeweils 2 Segler durchgekommen.

 

·       Von 2014-2018 gab es 12 Bruten, davon zehn 3-er Gelege, dabei 2 taube Eier.

 

·       Sechs der Dreier Bruten kamen durch und sind erfolgreich gestartet.

 

Soviel zum Thema Umweltveränderungen durch den Menschen.

 

Dennoch war es eine gelungene Seglersaison, und ich konnte erstmalig die Eigendynamik einer im Wachstum befindlichen Seglerkolonie erleben. Durch die Überwachungstechnik bekommt man mehr vom Leben der Segler innerhalb einer Kolonie mit, was nicht immer lustig ist. Hier ist mein gängiger Spruch „Leidenschaft, die Leiden schafft“ durchaus angebracht. Man muss schon leidensfähig sein und sensible Gemüter sollten sich das nicht antun. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, denn ich möchte einfach mehr über die Lebensweisen dieser Geschöpfe erfahren.

 

Eine große Erfahrung in dieser Seglersaison war für mich das Schicksal von „Charme“ im späteren Verlauf „Siri“ genannt.

 

Das spät geschlüpfte Seglerküken aus dem Hause von Fine & Filou II wäre verstorben, wenn ich es nicht, dank Kameraüberwachung, eines Tages viel zu unterernährt unter den wesentlich größeren Geschwistern Cloudy und Chris entdeckt hätte. Mit nur 14 Gramm Gewicht, 23 Tage alt, hatte Siri keine Chance gegenüber ihren 47 Gramm schweren Geschwistern. Nun lag es an mir „unerfahrenem Päppler“ dieses zarte Wesen am Leben zu erhalten, ich ahnte ja nicht, was auf mich zukam.

 

26 Tage und 1105 Heimchen und adulten Steppengrillen später wusste ich es, mit einem für mich schockierendem aber glücklichen Ende für Siri.

Soviel zum Gedankengang „Greif nur in die Natur ein, wenn…“

 

Mein logischer Gedankengang war folgender: ich kompensiere den Gewichtsunterschied von Siri in wenigen Tagen, setze sie zurück in ihr Nest, damit sie sich dann körperlich gegen ihre Geschwister durchsetzen kann, soweit die Theorie.

 

11 Tage später hatte Siri 39 Gramm unter ihren Federn, und ich setzte sie bei Abwesenheit der Altsegler zurück ins Nest, die Gesichter der Geschwister sagten mir deutlich, „Die kennen wir nicht…!“. Doch ich hoffte auf den guten Lauf der Natur.

 

Nur 30 Std. später kam die bittere Wahrheit, keine einzige Fütterung hatte Siri abbekommen, so dominant beherrschten die Geschwister das Terrain und mit 34 Gramm nahm ich sie wieder in meine Obhut. Ich war mittlerweile Stammgast im Reptilienladen, hatte ich doch schon 724 hüpfende Insekten mehr oder weniger in den Rachen von Siri versenkt, ich möchte nicht wissen, was sich der Verkäufer gedacht hat, welch Monster in meinem Hause lebt.

 

Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Füttern nahm Siri jetzt alles aus der Hand, ohne dass ich den Schnabel sperren musste, eine echte Erleichterung auch für das Eheleben zwischen mir und meiner lieben Frau, das anfänglich gemeinsame Füttern führte nach etlichen Fehlversuchen zu einem echten Stressfaktor. Doch jedes Mal, wenn Siri nach jeder Steppengrille freudig und heftig mit den Flügeln schlug, überfiel uns ein Schwall von Glücksgefühlen. Jetzt weiß ich, was es bedeutet „Vatergefühle“ zu haben. Meine Frau habe ich dazu noch nicht befragt😊.

 

Siri war uns sehr ans Herz gewachsen und die Motivation dieses Wesen in ihr Element zu entlassen, war stärker als alle Rückschläge.

 

8 Tage und weitere 335 Grillen sowie einem Kampfgewicht von 44 Gramm. unternahm ich den zweiten Versuch. Im elterlichen Nest war mittlerweile nur noch ein Geschwisterchen, das älteste war bereits am Abend zuvor gestartet.

 

Siri hatte wohl nicht vergessen, wie ihre Geschwister sie bei der Futterübergabe ins Abseits gedrängt haben. Der Abflugtag des zweiten Seglers war ohnehin gekommen, also nahm Siri ihren ganzen Mut zusammen und schmiss aktiv Brüderchen Chris aus der Nistbox raus.

 

Siri allein Zuhaus…😊

 

5 Tage alleine mit den Eltern, jetzt sollte wohl nichts mehr schief gehen, Futter gab es reichlich, dachte ich. Doch am 46. Tag hatten Fine & Filou wohl genug von der Aufzucht und haben Siri einfach allein gelassen.

 

In der Hoffnung, dass die beiden nur eine Luftübernachtung machten, wartete ich noch die Nacht ab. Doch auch am nächsten Tag kam keiner der beiden ins Nest zurück. Kindsentwöhnung auf Seglerart, das kannte ich schon aus vergangenen Jahren von meinen Seglern.

 

Also wieder raus aus dem Nest mit 40 Gramm, wir beide hatten ja schon eine besondere Beziehung zueinander und die sollte nicht auf den letzten Metern scheitern. Also habe ich Siri noch 3 weitere Tage versorgt. Die 1105 Grillen waren auch erreicht, und so bin mit Siri ich am 49-zigsten Tag nach ihrem Schlupf, wie schon immer davor, in den Garten und ums Haus gegangen.

 

Sie sollte die Umwelt sichten und die noch verbliebenden 3 Seglerpaare bei ihren Flügen ums Haus beobachten. Man muss sich ja schließlich die Startbahn einprägen. Es war am Spätnachmittag. Ich trug Siri locker in meiner rechten offenen Hand, sie fühlte sich sichtlich wohl, den Himmel beobachtend, als uns vorm Haus ein schöner Abendwind überraschte und ehe ich mich versah, startete Siri aus meiner Handfläche, flog ca. 40 m in 1m Höhe entlang der Straße, um dann mit einem gutem Zug über die Nachbardächer in den Abendwind zu drehen und aus meinen Augen zu verschwinden.

Soweit die sachliche Schilderung.

 

Während mein Adrenalinpegel Salti schlug, das Herz raste und ich so etwas wie Totalverlust empfand, während ich hinter Siri herlief und immer laut rufend rief, sie fliegt, sie fliegt. Ich war fassungslos und einfach nicht drauf vorbereitet. Ich dachte sie könnte erst fliegen, wenn alle Federspulen weg sind, Siri hatte aber noch je 3 doch hier zeigte die Natur mal wieder was sie kann.

 

Einige Zeit später wich der Überraschungsschock in ein wohliges Gefühl, das es richtig war, der kleinen Siri unter die Schwingen zu greifen. Guten Flug meine Kleine, du hast mir die Entscheidung abgenommen.

 

Alles in allem war es eine sehr turbulente Seglersaison, ein neues Brutpaar Hope & Happy kamen dazu, insofern besonders da dieses Paar aus einem Altsegler (Hope) und einem Erstbrüter besteht. Vermutlich wurde Hope durch eine feindliche Übernahme aus seinem Nest vertrieben. Meine kleine Kolonie wächst immer zügiger. Mit diesem Wachstum geht auch ein erhöhtes Interesse potenzieller Beutegreifer einher, denn 14 Segler ziehen deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich und ihre Brutstätte. In den letzten 3 Jahren hatte die Kolonie immer wieder Altseglerverluste zu beklagen. Baum- und Wanderfalke überfliegen oft unser Haus und Erstgenannten konnte ich beobachten, wie er einen meiner Segler in der Luft abfing.

 

Mit dem Wachstum einer Seglerkolonie scheint es auch ein hohes Interesse von Erstbrütern an bereits besetzten Brutplätzen zu geben. Noch nie zuvor gab es so viele versuchte feindliche Übernahmen besetzter Nester, egal ob Eier oder Jungsegler in den Nestern lagen und das, obwohl sich noch 7 freie Nistplätze in unmittelbarer Nähe der besetzten Nester befinden. Es ist ein unsagbarer Stress für alle Beteiligten.

 

Dennoch haben 7 Brutpaare 16 Jungsegler auf die Reise geschickt, 2 davon mit menschlicher Unterstützung. Ein Danke an dieser Stelle an Dr. Martina Schmook für das erfolgreiche päppeln von "Funny". und ein besonderen Dank an Dich liebe Kirsten für Deine Unterstützung beim "Siri-Projekt":)

 

Und zum guten Schluss sei noch erwähnt, dass durch einen Zeitungsbericht meinerseits, das NDR-Schleswig-Holstein Magazin mit mir einen TV-Beitrag über die Mauersegler drehen wollte. Das war natürlich die Krönung meiner Aktivitäten, die Resonanz war überwältigend. Darüber hinaus entstanden noch zwei weitere TV-Berichte kurz danach. Mehr kann man sich kaum wünschen.

Diese sind unter TV-/Presseberichte zu sehen

Segler am Himmel

Die Ankunft von Bianca & Bernhard II

Cleo & Claudio

Donna & Dino

Enya & Eyk

Fine & Filou II

Siri´s Abenteuer

Gigi & Gucci

Hope & Happy


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